Eine Regelung, nach der Überstunden pauschal mit dem Gehalt abgegolten werden, ist in einem Arbeitsvertrag in der Regel unzulässig. Solche Klauseln finden sich zwar häufiger in Arbeitsverträgen, sind aber in der Regel unwirksam, weil sie intransparent sind und die*den Arbeitnehmer*in unangemessen benachteiligen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits im Jahr 2010 entschieden.
Enthalten solche Klauseln jedoch eine feste Anzahl von Überstunden, die monatlich mit dem Gehalt abgegolten sind, können sie zulässig sein. Hier kommt es jedoch auf den Einzelfall an, ob die Anzahl der Überstunden und die Höhe der monatlichen Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
In diesem Beitrag erläutern wir, wann die*der Arbeitgeber*in überhaupt Überstunden anordnen darf, welche Überstundenabgeltungsklauseln unwirksam sein können und wann Arbeitnehmer*innen in der Regel trotzdem keine zusätzliche Überstundenvergütung erhalten.
Übersicht:
- Was ist der Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit?
- Wie müssen Überstunden geregelt sein?
- Was bedeutet es, wenn Überstunden abgegolten sind?
- Wie viel unbezahlte Mehrarbeit ist erlaubt?
- Wer muss keine Überstunden leisten?
- Fazit
- FAQ
1. Was ist der Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit?
Die Begriffe Überstunden und Mehrarbeit werden häufig synonym verwendet. Sie bezeichnen jedoch nicht das Gleiche, auch wenn es keine genaue gesetzliche Definition gibt. Anknüpfungspunkt für Überstunden ist die im Arbeitsvertrag vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit. Ist beispielsweise eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden vereinbart und werden in einer Woche 40 Stunden gearbeitet, so sind 2 Überstunden angefallen.
Anknüpfungspunkt für den Begriff der Mehrarbeit ist jedoch nicht die vereinbarte Arbeitszeit, sondern die Grenze des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Nach § 3 ArbZG gilt eine Höchstarbeitszeit von 8 Stunden täglich bzw. 48 Stunden wöchentlich bei einer 6-Tage-Woche, wobei ausnahmsweise die tägliche Arbeitszeit auf 10 Stunden verlängert werden kann, was einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden entspricht. Wird über diese Grenzen hinaus gearbeitet, spricht man von Mehrarbeit.
Mehrarbeit und Überstunden bei Teilzeitbeschäftigten
Daher kann ein*e vollzeitbeschäftigte*r Arbeitnehmer*in sehr viel früher Mehrarbeit erbringen als ein*e teilzeitbeschäftigte*r Arbeitnehmer*in. Wenn Sie beispielsweise nur mit 20 Stunden pro Woche als Teilbeschäftigte*r angestellt sind, können Sie mindestens 20 Stunden Überstunden leisten, ohne dass Mehrarbeit vorliegt.
Über das Thema Arbeitszeitbetrug informieren wir Sie in diesem Beitrag.
2. Wie müssen Überstunden geregelt sein?
Damit die*der Arbeitgeber*in Überstunden anordnen kann, bedarf es einer entsprechenden Anordnungsgrundlage. Vor allem in kleineren oder nicht tarifgebundenen Unternehmen kann der Arbeitsvertrag eine Regelung zur Anordnung oder Ableistung von Überstunden enthalten.
Enthält der Arbeitsvertrag keine Regelung zu Überstunden, kann die*der Arbeitgeber*in die*den Arbeitnehmer*in nicht zur Ableistung von Überstunden zwingen. Auch wenn die*der Arbeitgeber*in aufgrund des zustehenden Weisungs- bzw. Direktionsrechts der*dem Arbeitnehmer*in z.B. bestimmte Aufgaben zuweisen kann, berechtigt dies die*den Arbeitgeber*in nicht, ohne entsprechende Grundlage Überstunden anzuordnen.
Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung
Auch wenn der Arbeitsvertrag keine Verpflichtung der*des Arbeitnehmers*in zur Ableistung von Überstunden vorsieht, kann es dafür andere rechtliche Grundlagen geben. In größeren Betrieben, die tarifgebunden sind, für die also ein Tarifvertrag gilt, kann dieser eine Überstundenregelung enthalten.
Besteht ein Betriebsrat, kann dieser mit der*dem Arbeitgeber*in eine Betriebsvereinbarung über Überstunden und deren Anordnung abschließen. Darüber hinaus ist die Anordnung von Überstunden in Betrieben mit Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
Individuelle Vereinbarung oder Notfall
Ist weder im Arbeitsvertrag noch in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung eine Regelung zur Anordnung von Überstunden getroffen, darf die*der Arbeitgeber*in Überstunden weder verlangen noch anordnen.
Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in eine individuelle Vereinbarung über die Bereitschaft zur Leistung oder Anordnung von Überstunden getroffen wurde, z.B. zur Bewältigung von Personalengpässen oder Auftragsspitzen. Eine solche Vereinbarung kann auch mündlich und zeitlich begrenzt getroffen werden.
In unvorhersehbaren Situationen und Notfällen kann die*der Arbeitgeber*in auch ohne entsprechende Vereinbarung Überstunden anordnen. Zum Beispiel, wenn ein Server ausfällt oder sich das Unternehmen in einer Notsituation befindet.
Solche Notsituationen liegen z.B. bei Bränden oder Naturkatastrophen vor und die Überstunden sind z.B. zur Gefahrenabwehr notwendig. Alles, was vorhersehbar oder planbar ist, wie die Annahme von Großaufträgen oder Eilaufträgen, kann dagegen nicht als Grundlage für die Anordnung von Überstunden herangezogen werden, da weder ein Notfall noch eine Notsituation vorliegt.
Informationspflicht des Arbeitgebers
Seit der Verschärfung des Nachweisgesetzes ab dem 01.08.2022 muss die*der Arbeitgeber*in die*den Arbeitnehmer*in darüber informieren, unter welchen Voraussetzungen und ob überhaupt Überstunden angeordnet werden können. Diese Informationspflicht ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG.
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3. Was bedeutet es, wenn Überstunden abgegolten sind?
Arbeitsverträge beinhalten zumeist Regelungen über die Abgeltung von Überstunden. Abgeltung bedeutet in diesem Zusammenhang, wie angefallene Überstunden zu vergüten oder durch Freizeit auszugleichen sind.
Teilweise finden sich Regelungen, die z.B. lauten können: „Angefallene Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten“ oder “ Erforderliche Überstunden werden nicht gesondert vergütet, sondern sind mit dem Gehalt abgegolten“. Dies würde bedeuten, dass die*der Arbeitnehmer*in verpflichtet werden kann, Überstunden zu leisten, die nicht zusätzlich zu ihren*seinem Monatsgehalt vergütet werden, obwohl mehr gearbeitet wurde. Bei einer solchen Formulierung würde dies für alle geleisteten Überstunden gelten.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil aus 2010, Aktenzeichen 5 AZR 517/09) hat jedoch entschieden, dass solche Klauseln in Arbeitsverträgen unwirksam sind, da solche Formulierungen zu vage bzw. unbestimmt sind und somit intransparent. Klauseln eines Arbeitsvertrages unterliegen der AGB-Kontrolle und solche Klauseln benachteiligen Arbeitnehmer*innen in dieser Form außerdem unangemessen. Für die*den Arbeitnehmer*in müsse aber klar erkennbar sein, in welchem Umfang Überstunden oder zusätzliche Arbeitsleistungen von ihr*ihm erwartet werden, was bei solchen Klauseln nicht möglich ist.
4. Wie viel unbezahlte Mehrarbeit ist erlaubt?
Die pauschale Abgeltung von Überstunden ist jedoch nicht gänzlich unzulässig. Werden solche Regelungen zur Abgeltung von Überstunden im Arbeitsvertrag für eine im Voraus festgelegte monatliche Anzahl von Überstunden getroffen, kann dies zulässig sein. Dies können z.B. 3 Stunden pro Woche oder 10 Stunden pro Monat sein. Generell wird eine Abgeltung von Überstunden im Bereich von bis zu 10 bis 15 % der monatlichen Arbeitszeit mit dem normalen Gehalt noch zulässig sein.
Wie viele Stunden mit dem Monatsgehalt abgegolten sein dürfen, ist gesetzlich nicht festgelegt, so dass es auf den Einzelfall ankommt. Müssen im Einzelfall jedoch zu viele Überstunden geleistet werden, kann dies zu einer übermäßigen oder unverhältnismäßigen Benachteiligung der*des Arbeitnehmers*in führen. Dann wäre eine solche Regelung wiederum unzulässig.
Niedriges Gehalt kein Indiz für Anzahl von pauschal abgegoltenen Überstunden
Im Übrigen ist ein niedriges Gehalt kein Indiz dafür, dass nur eine geringe Anzahl von Überstunden pauschal mit dem Monatsgehalt abgegolten werden kann. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urteil aus 2021, Aktenzeichen 2 Sa 26/21) hat beispielsweise entschieden, dass auch bei einem niedrigen Gehalt die Anzahl von 10 pauschal abgegoltenen Überstunden pro Monat zulässig sein kann.
Leitende Angestellte und Dienste höherer Art
Überstunden werden in der Regel von leitenden Angestellten und Angestellten mit hohem Verdienst erwartet. Da nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG das Arbeitszeitgesetz für Angestellte in leitender Funktion nicht gilt, kann die*der Arbeitgeber*in auch mit Mehrarbeit (über die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes hinaus) rechnen oder solche anordnen.
Ob diese Überstunden vergütet werden, hängt in erster Linie von der Höhe des Monatsgehalts ab. Ab einer bestimmten Höhe der monatlichen Vergütung muss damit gerechnet werden, dass anfallende Überstunden bereits mit dieser Vergütung abgegolten sind. Liegt das Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung, ist davon auszugehen, dass mit dem Gehalt bereits alle Überstunden abgegolten sind.
Die Beitragsbemessungsgrenze liegt im Jahr 2024 bei einem Monatseinkommen von 7.550 Euro im Westen und 7.450 Euro im Osten bzw. einem Jahreseinkommen von 90.600 Euro/West bzw. 89.400 Euro/Ost. Liegt das Gehalt aber unter der Beitragsbemessungsgrenze, kann die*der Arbeitnehmer*in mit einer Vergütung der Überstunden rechnen.
Gleiches gilt für Dienste höherer Art, die eine wissenschaftliche Ausbildung voraussetzen oder ein besonders hohes Maß an Fachkenntnissen oder Fertigkeiten erfordern. Hierzu zählen beispielsweise Architekt*innen, Rechtsanwält*innen, Ärzt*innen und Wirtschaftsprüfer*innen. Auch bei diesen Berufsgruppen ist es üblich, dass eine pauschale Abgeltung von Überstunden vereinbart wird.
5. Wer muss keine Überstunden leisten?
Für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern*innen sind Überstunden grundsätzlich unzulässig. Dazu gehören z.B.:
- Jugendliche (15 bis 17 Jahre, § 8 Abs. 1 JArbSchG)
- schwangere oder stillende Arbeitnehmerinnen (§ 4 Abs. 1 MuSchG)
Schwerbehinderte Arbeitnehmer*innen dürfen grundsätzlich Überstunden leisten. Auf ihr Verlangen sind sie jedoch von Überstunden freizustellen (§ 207 SGB IX).
Wie wir als Anwälte für Arbeitsrecht Arbeitnehmer*innen noch helfen können, lesen Sie hier.
6. Fazit
- Unzulässigkeit pauschaler Überstundenabgeltungsklauseln im Arbeitsvertrag: Klauseln, die vorsehen, dass sämtliche Überstunden pauschal mit dem Gehalt abgegolten sind, sind in der Regel unwirksam, da sie intransparent und arbeitnehmerunfreundlich sind.
- Zulässigkeit bei fester Überstundenzahl: Klauseln, die eine feste Anzahl von Überstunden vorsehen, die monatlich mit dem Gehalt abgegolten sind, können je nach Verhältnis der Anzahl der Überstunden zum Monatsgehalt zulässig sein.
- Vergütung von Überstunden: Für leitende Angestellte, bei Diensten höherer Art und hohem Monatsgehalt können unter Umständen alle Überstunden bereits mit dem Gehalt abgegolten sein.
- Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit: Überstunden sind Arbeitszeit, die über die im Arbeitsvertrag vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit geleistet wird, während Mehrarbeit über die im Arbeitszeitgesetz festgelegten Grenzen hinausgeht.
- Anordnung von Überstunden: Für die Anordnung von Überstunden bedarf es einer entsprechenden Anordnungsgrundlage im Arbeitsvertrag oder in anderen Rechtsgrundlagen wie einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung.
- Individuelle Vereinbarung oder Notfall: Liegt keine Regelung im Arbeitsvertrag, Kollektivvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung vor, darf die*der Arbeitgeber*in keine Überstunden anordnen, es sei denn, es liegt eine individuelle Vereinbarung oder ein Notfall vor. Notfälle und Notsituationen sind unvorhergesehene Situationen, die nicht planbar waren.
- Informationspflicht der*des Arbeitgebers*in: Seit der Verschärfung des Nachweisgesetzes im August 2022 muss die*der Arbeitgeber*in die*den Arbeitnehmer*in gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG darüber informieren, unter welchen Voraussetzungen Überstunden angeordnet werden können. Diese Angaben sollten in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden.
7. FAQ
Sind pauschale Abgeltungsklauseln für Überstunden im Arbeitsvertrag zulässig?
Nein, solche Klauseln sind in der Regel unwirksam, da sie intransparent sind und Arbeitnehmer*innen unangemessen benachteiligen, wie bereits 2010 vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurde.
Wann können Abgeltungsklauseln für Überstunden zulässig sein?
Abgeltungsklauseln, die eine feste Anzahl von Überstunden pro Monat vorsehen, die monatlich mit dem Gehalt abgegolten sind, können unter Umständen zulässig sein, wenn das Verhältnis zwischen der Anzahl der Überstunden und der monatlichen Vergütung angemessen ist. Ein niedriges Gehalt ist kein Indiz für die Anzahl der zu vergütenden Überstunden.
Was ist der Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit?
Überstunden beziehen sich auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit, während Mehrarbeit über die im Arbeitszeitgesetz festgelegten Grenzen hinausgeht.
Wie müssen Überstunden geregelt werden?
Für die Anordnung von Überstunden benötigt die*der Arbeitgeber*in eine entsprechende Anordnungsgrundlage im Arbeitsvertrag oder anderen rechtlichen Grundlagen wie Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung.
Kann die*der Arbeitgeber*in ohne Regelung Überstunden anordnen?
Ohne Regelung im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung darf die*der Arbeitgeber*in die Arbeitnehmer*innen nicht zur Ableistung von Überstunden zwingen, es sei denn, es besteht eine individuelle Vereinbarung oder es liegt ein Notfall vor.
Welche Informationspflichten hat die*der Arbeitgeber*in bezüglich Überstunden?
Seit August 2022 muss die*der Arbeitgeber*in die Arbeitnehmer*innen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG darüber informieren, unter welchen Voraussetzungen und ob überhaupt Überstunden angeordnet werden können.
Wer muss keine Überstunden machen?
Für bestimmte Personengruppen wie Jugendliche, Schwangere oder stillende Mütter sind Überstunden grundsätzlich unzulässig. Schwerbehinderte Arbeitnehmer*innen dürfen Überstunden leisten, können jedoch auf Verlangen davon freigestellt werden (§ 207 SGB IX).
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